Am Frühstücksbüffet im Hotel in Göteborg konnte ich mir den Magen nochmals richtig füllen, dann ging es via SIK aus Göteborg hinaus. Die weitere Navigation durch die Vororte war mit der 1:800'000 Karte nicht so einfach. Die Wegweiser sind in Schweden allgemein eher spärlich, implizit und eher zufällig wird auf den nächsten Bauernhof oder die nächste Stadt in 100 km Entfernung verwiesen (es werden maximal zwei Orte pro Richtung angegeben). Im Verlauf der Tour erwies sich die 1:800'000 Karte (Südskandinavien) als eher ungeeignet weil nicht alle Strassen und Ortschaften eingezeichnet waren und die Präzision teils etwas zu Wünschen übrig liess. Auch hatte man anhand der Karte keine Chance zwischen asphaltiert und nicht asphaltiert zu unterscheiden.
In Landvetter fuhr ich dann versehentlich Richtung Süden. Das war nicht weiter schlimm, auf ein paar km mehr oder weniger kam es nicht wirklich an, als Bonus gab es ein paar Seen mehr und Autos weniger (nicht, dass es auf der grösseren Strasse viele gewesen wären). Weil auf meiner Karte nur die grösseren Orte eingezeichnet sind war es noch ganz praktisch sich etwa an der Sonne orientieren zu können. Kurz vor der ersten Stadt, Borås, gab es dann nur noch Autobahn. Das ist einigermassen typisch für alle grösseren Städte, 5 km vor dem Zentrum enden die Nebenstrassen in Autostrassen- oder bahnen. Ich war eigentlich schon daran diese zu benutzen um nach Borås zu kommen als ich dann noch einen dezenten Hinweis auf einen nicht asphaltierten Veloweg als Alternative fand.
Nach Borås machte ich an irgend einem Badeplatz an einem See Mittagsrast. Irgendwo nach Rånneväg wurde der Wald recht einsam und es gab nur noch sehr wenig Autos. Es wurde dann auch recht hügelig, die Wellenlänge war mit 5 bis 10 km sehr angenehm (keine tschechisch/bayrischen 500 m Gross-/Kleinblatt Nerv-Hügel). Der höchste Hügel in der Umgebung war dann 343 Meter über Meer. In Tenhult fand ich dann endlich einen Supermarkt. Wenn man in einer Kohlenhydrat-Defizienz ist und sich sonst gewohnt ist für 2 bis 3 hungrige Velofahrer einzukaufen kann es ein bisschen viel werden (darum wohl besser nie einen Einkaufskorb oder gar -wagen verwenden) aber ich schaffte alles (mein Futter-Stauraum im Rucksack war eher begrenzt). Bei der Weiterfahrt danach dachte ich schon daran den Lenker höher zu stellen als mich mich ein Rennvelo überholte. So wurde ich flott nach Huskvarna gezogen und bekam auch gleich den weiteren Weg entlang dem vättern-See gezeigt. Die Nebenstrasse verlief deutlich oberhalb des Sees und brachte noch ein paar weitere Höhenmeter. In Gränna war es zwar erst 19:45 und ich war noch einigermassen fit aber weil Unterkünfte nicht oft zu finden sind, suchte ich etwas für die Nacht. Ich fand dann auch gleich eine Jugendherberge (kr. 250.- mit Bettwäsche und Frühstück) direkt am See an der Ablegestelle nach Visingsö. Die war eigentlich ausgebucht, aber ein Platz war noch zu haben. Zum Abendessen gab es eine Pizza (Gemüsefladen mit Käse garniert) von einer der Imbissbuden am See. Für die kr 79.- war die Pizza unerwartet gut.
Die Insekten hatten sich den Tag über nicht bemerkbar gemacht (2004 war bis jetzt der kälteste Sommer seit 1928) auch am Abend am See wurde ich nicht arg gestört. Die Temperaturen waren den Tag über sozusagen optimal zum Velofahren, am Abend war schon langarm angesagt. Mein Vierer-Zimmer in der Jugendherberge blieb ich alleine. So störten Gestank (seit den Regentagen im Baskenland hatte der Rucksack bzw. das Trikot eine spezielle säuerliche Note) und Velo niemanden.
Frühstück gab es erst ab 8 Uhr. Danach ging es dem See entlang Richtung Norden bis Åby. Wegen dem wenigen Stauraum für Futter (maximal drei Bananen, zwei Pack Biskuits dazu mein Survival-Futter für den Worst-Case bestehend aus Farmern und 2×500 g getrockneten Bananen) lebte ich vom Supermarkt in den Mund, grössere Orte gab es genug am Weg. Im Gegensatz zu etwa allen anderen bis jetzt besuchten Ländern Europas gibt es in Schweden kaum brauchbare Bäckereien. Wenn schon ist es eher eine Konditorei, dabei liegt die Qualität der Patisserie trotz hoher Preise kaum über der Supermarktware, die Kreativität geht kaum über Vanilleplunder hinaus. Trinkwasser-Brunnen habe ich während der ganzen Tour keine gesehen, auch in den Friedhöfen gab es jeweils nur Zisternen-Wasser. In den Supermärkten gibt es nur Wasser mit Kohlensäure (bei den teuren aus Frankreich oder Italien importierten Wässern habe ich nicht so genau geschaut) und das nicht einmal so wahnsinnig billig (etwa kr 9 für 1.5 Liter). Ungefähr gleich günstig ist das Wasser mit Zitronen-/Blaubeeren-/Melonen-Geschmack (letzteres war ein Fehlkauf). Das mit Zitronenaroma ist auch nach ein paar Stunden im Bidon noch geniessbar (so richtig warm wurde der Bidon-Inhalt nie). Die PET-Flachen haben zwischen 2 und 4 Kronen Pfand drauf, d.h. man darf jeweils zwei Mal in den Supermarkt gehen (einen PET-Flaschenhalter kann man sich ja unmöglich an ein LOOK-Plastikvelo montieren).
Das Wetter war den ganzen Tag durch prima, blauer Himmel, Temperaturen weiterhin angenehm, Rückenwind. Die Landschaft war nicht sehr spektakulär, jetzt mehr Felder als Wald (im Gegensatz zum ersten Tag). Unterwegs konnte ich noch eine Fähre benutzten. Auf meiner Karte endeten zwei Strassen am Wasser, von welcher aus die Fähre verkehren würde war unklar. Ich erwischte natürlich die falsche Strasse (dank einem Hinweis von der lokalen Bevölkerung nicht die komplett falsche) und durfte dann noch etwas über einen Feldweg zur Anlegestelle holpern. Eine Pause gab es nicht wirklich, auf die Fähre, ablegen, kurze Überfahrt, weiterfahren. Die Fähren sind wohl im allgemeinen gratis.
Die Jugendherberge in Nyköping fand ich zwar auf Anhieb, die war ausgebucht («don't even think of asking» Schild an der Türe). Statt ein Hotel zu suchen fuhr ich auf gut Glück weiter, der Strasse der Küste entlang würde es wohl etwas haben. Irgendwann hatte es auch ein Hinweisschild mit Haus-Icon. Nach 2 km kam ich dann zu ein paar Häusern und einem Campingplatz. Als erstes fand ich heraus dass das Haus-Icon für Ferienhaus, nicht Zimmer steht. Insgesamt gab es davon nur zwei und das eine davon war schon belegt (Dinge, die man 2 km Feldweg später herausfindet …). Schliesslich kam ich in einer Hütte unter die zum Camping-Platz gehörte (kr 200 Spezialpreis). Abendfutter konnte ich den Vermietern abkaufen, Fladenbrot und Käse. Die Hütte war einigermassen direkt am Wasser. Während dem Futtern draussen sammelte ich schon ein paar Stiche (aggressive Viecher die auch durch Socken und Handschuhe hindurch stechen) und über Nacht hatte ich wohl auch mindestens eine Mücke in der Hütte. Das geschätzte Dutzend Stiche garantierte mir die nächsten zwei Tage etwas Abwechslung zum Fudi-Schmerz. Statt einem Sonnenuntergang gab es alternativ einen Vollmond-Aufgang.
Das Frühstück bestand aus einem Pack Biskuits (Zitrone). Nachdem es am Anfang (Abfahrt mangels Frühstück schon gegen 8 Uhr) noch sonnig war zogen bald recht graue Wolken auf die wenig später den ganzen Himmel bedeckten (es sah kaum nach Aufhellungen aus). In Vangärad trafen dann der erste Sprühregen und der erste Supermarkt zusammen. Während dem Frühstück war es aber wieder trocken, temperaturtechnisch waren aber Armlinge und Knielinge (nur auf einer Seite wegen einem ungünstig gelegenen Stich) angesagt. Inzwischen hatte auch der Wind gedreht (gegen mich), die Beine waren nicht wahnsinnig fit und dann meldete sich noch die Achillessehne auf der rechten Seite (vielleicht wegen der tiefen Trittfrequenz die teilweise vom Fudischmerz abhängig war). Item, es lief wirklich phantastisch.
Der Unterbruch durch die Fähre zwischen Mörkö und Gerädinge war auch diesmal nur kurz, reichte eben so um ein paar Fotos zu machen. Bei Tumba fing dann die Agglomeration von Stockholm an (die Schweden haben viel Raum und halten nicht viel von verdichtetem Bauen). Die 226 (Strassen-Nummer) wurde dann vierspurig und irgendwann kam ein Velofahrverbot. Naja, in Schweden gibt es in den Städten und grösseren Orten häufiger Velowege aber es gibt immer wieder nette Übergänge wenn eine Nebenstrasse zu queren ist und es hat immer etwas Rollsplitt der die Verwendung mit dem Rennvelo zum Nervenkitzel macht (wenn man nicht chronisch den Daumen auf den Mantel halten möchte). Item, ich hatte keine Lust mich 20 km auf Schleichwegen durch die Vororte zu kämpfen und blieb auf der 226 und kam so bis zur ersten Insel (Södermalm) und dann (auf Quartierstrassen) irgendwie ins Zentrum. Naja, die Fassade vom Palast könnte mal wieder gereinigt werden (ist ein bisschen grau). Sonst nettes Städtchen. Nach etwa 2 Stunden hatte ich es gesehen und kämpfte mich gegen Norden aus der Stadt. Erst hatte es einen Veloweg nach Täby, aber den verlor ich wohl irgendwo (auf Schlaglöcher, Fussgänger, Scherben und versteckte Velo-Wegweiser gleichzeitig achten ist nicht ganz einfach). Via Djursholm und mit der Hilfe der lokalen Bevölkerung (recht praktisch, die allermeisten Schweden können etwas Englisch, das machte die Kommunikation etwas einfacher als im spanischen Teil der Pyrenäen) fand ich dann doch noch meinen Weg nach Täby. Von dort aus konnte ich mich wieder mit meiner 1:800'000 Karte orientieren. Westlich von Vallentuna hatte ich dann die Agglomeration Stockholm etwa hinter mir. Weil es immer häufiger Sprühregen gab (die Strasse war nie wirklich nass) und eigentlich Ruhetag war schaute ich mich in Märsta nach einer Übernachtungsmöglichkeit um. Ausser zwei Flughafen-Hotels (Arlanda war in der Nähe) etwas ausserhalb gab es nichts. Also Kreditkarte gezückt und die kr 645 abgedrückt. Dafür ein Zimmer mit eigenem Bad (fliessend Wasser!) und Glotze. In Märsta-City hatte ich noch Kohlenhydrate gebunkert (Fladenbrot, Crackers), so dass ich mir den Gang ins Hotel-Restaurant ersparen konnte. Meine Stiche vom Vorabend waren jetzt schön am jucken.
Eigentlich hätte es ab 6 Uhr Frühstück gegeben, aber ich schlief bis gegen 8 Uhr. Gleich nach Märesta überholte mich ein Rennvelo (endlich eine Campa-Gruppe!). Das bog bald Richtung Upsala ab, aber es reichte um mich in Schwung zu bringen, ich konnte im Gegensatz zum Vortag auch wieder anständige Frequenzen treten. Die Landschaft blieb etwa den ganzen Tag von der Landwirtschaft betont, Getreidefelder habe ich für dieses Jahr eigentlich genug gesehen. Hügel gab es weiterhin etwa genau richtig dosiert, häufig genug dass man immer rechtzeitig einen guten Grund hatte aufzustehen. In der Pampa zwischen Hjälsta und Bred stimmte einmal mehr die Realität nicht ganz mit der Karte überein, ein paar Feldwege und Extrakilometer waren die Folge davon. Nach Sevalla gab es dann als Spezial 10 km auf nicht asphaltierter Strasse gegen den Wind. Diese Strassen haben zwar ganz wenig Autoverkehr, aber man bekommt am wenigsten von der Landschaft mit. Wenn man mit 25 bis 30 km/h fährt muss man schon recht konzentriert auf Löcher, Steine und die optimale Fahrspur achten. Zum Glück waren meine Conti GP 3000 im optimalen Zustand (so weit abgefahren dass die Gummischicht so dünn ist, dass keine Steine mehr darin stecken bleiben) so dass ich auch dieses Stück ohne Plattfuss überlebte. Inzwischen war es doch schon recht trocken so dass es doch etwas staubte. Armes Getriebe. Weil ich die grösseren Orte (Enköping, Västerås) umfuhr gab es in Ramnäs (nördlichster Punkt der Tour) den ersten Konsum. Ich testete bei dieser Gelegenheit Fladenbrot und Käso als Verpflegung aus, hat sich im Folgenden nicht negativ ausgewirkt. Eigentlich hatte ich für den Weg nach Köping eine Nebenstrasse vorgesehen, die war aber nicht asphaltiert, also nahm ich gleich den 252 wo mich nicht wirklich viele Autos störten. In Köping dann noch die km 200 Pause, inzwischen war es auch schon etwas später. Die Restliche Strecke Richtung Örebro war sehr schön, Autos gab es nach 19 Uhr kaum mehr. Nicht nur landschaftlich und abendsonnentechnisch war die Strecke ein Vergnügen, auch der Belag war astrein (wohl aus Ausgleich für die Leiden auf den nicht asphaltierten Strassen vorher). Vor Örebro dann wieder das übliche «nur noch Autobahn» Problem, aber ich fand einen Veloweg der mich asphaltiert in die Stadt brachte. Dort war die Rezeption der Jugendherberge (wie von mir erwartet) schon geschlossen, die ersten zwei Hotels hatten auch schon dicht gemacht. Das nächste hätte ich von aussen auf kr 900 geschätzt, kostete dann aber nur kr 650. Grosses Zimmer und dann noch mitten in der Stadt, gleich neben dem Wasserschloss. Die Stadt war sogar noch recht lebendig mit vielen Restaurants. Ich war aber schon etwas zu müde um das noch zu geniessen und ging nach Vorratstilgung schlafen. Weil ich den Tag über meine Energieversorgung einigermassen im Steady-State beliess war am Abend das grosse Essen nicht unbedingt notwendig.
Um 7:30 gab es ein edles Frühstück (riesengrosses Buffet für mich alleine). Am Bahnhof von Örebro checkte ich dann noch ob es ab Laxå Züge nach Göteborg gibt. Gibt es, direkt alle 2 Stunden. Die Ausfahrt nach Garphyttan fand ich ohne grosse Umwege. Es ging dann noch ein wenig hinauf. Dort oben gibt es auch noch einen Nationalpark, die Strasse dorthin war allerdings nicht asphaltiert. Nach dem Überqueren der E18 bin ich dann noch im Kreis gefahren (natürlich ein Teil davon nicht asphaltiert) was mit einer gewissen Diskrepanz von Karte und Realität zusammenhing. Als ich dann wieder auf der E18 war hatte ich nicht mehr viel Zeit übrig um den 12:45 Uhr Zug ab Laxå zu erreichen. Also grosse Scheibe aufgelegt und die ca. 50 km über 204 und 205 mit gutem 30er Schnitt hinter mich gebracht. Auf der Strecke hatte ich dann noch mein km 10'000 Jubiläum für 2004. In Laxå reichte es dann gerade noch um das Velo in den Tranzbag zu stecken. Der Transport des Velos auf der Plattform des letzten Wagens war kein Problem, ich hatte den Tranzbag also nicht vergebens 1000 km durch Schweden geschleiggt.
Nach zwei Stunden war ich dann in Göteborg. Dort machte ich mich entlang Tramlinie 11 auf den Weg zum Hafen für ein Schiff auf die Göteborg vorgelagerten Inseln. Am Hafen legte ich mich noch elegant hin (macht nur mit Zuschauern richtig Spass), elendes verklemmtes Shimano SPD-Pedal! Die Inseln waren nicht wahnsinnig gross, in ca. 5 Minuten kommt man vom einen zum anderen Ende. Ich suchte mir dann ein ruhiges Plätzchen auf den Grantitfelsen am Wasser und liess mir die Abendsonne auf den Bauch scheinen. Gegen 20 h ging ein Schiff zurück nach Göteborg, auf dem Rückweg ins Hotel organisierte ich mir noch das letzte Fladenbrot und Käso, dann musste ich noch mein Velo in den Koffer packen