10. bis 16. September 2010; 1113 km, 22760 hm
Die Reise startete am Vortag im TGV von Zürich nach Paris. Im TGV hatten wir das Glück, dass eine komplette Gepäcknische frei war, wo wir unsere Velos (in einer Tüte) hochkant hinein stellen und mit etwas Schnur befestigen konnten. Ansonsten wäre es etwas eng geworden. Die Fahrt nach Paris nutzten wir dann schon mal für das Karten-Studium. In Paris gab es dann noch einen nächtlichen Transfer (per Velo natürlich) mit Schraub-Halt vor Notre Dame, vom Gar de l'Est zum Gare de Austerlitz. Im Liegewagen hatten wir das Glück im Service-Wagen untergebracht zu sein, so konnten wir die Velos neben den Getränke-Automaten, wo es tip top Platz gab, stellen.
Statt wie ursprünglich geplant bis Pau zu fahren stiegen wir schon etwas westlicher, in Orthez, aus. Dort war es noch ziemlich früh (etwas vor 7h) und dunkel. Aber im Städtchen machten gerade die ersten Cafés auf, wo wir erst einmal ein kleines Frühstück einnahmen. Einen bescheidenen Casino für die erste Wegzehrung gab es auch. Wir machten uns dann auf den Weg Richtung Pyrenäen. Bis Narp gab es schon ein paar kleine Hügelchen zum einfahren. Dann ging es via Gestas, Mauléon-Licharre nach Tardets-Sorholus ein Tal hinauf. Irgendwo bei Licq-Athérey begann dann mal meine Kette zu hüpfen. Ein Blick auf die Kette verriet nichts gutes, ein Glied war einseitig ausgehängt. Lustig (naja), dass wir beim Durchgehen der Packliste auch einen Kettennieter diskutiert hatten, und ich den mit der Begründung ablehnte, dass meine Kette schon so lange drauf ist, dass da auch nichts mehr passieren wird. Hm. also erst einmal Panik, weil weit und breit kein Velomech. Aber wir waren soeben an einer Baustelle am Fluss vorbei gefahren. Also rollten wir mal dorthin zurück, in der Hoffnung, vielleicht eine Zange zu finden. Zwar fiel uns das richtige Wort («pince») nicht ein, aber einer der Arbeiter begriff unser Problem und packte aus seinem Auto den Werkzeug-Koffer aus. Mit einer Wasserpumpenzange konnte er den Niet wieder einrenken. Vielen Dank nochmals. Ich schaltete dann bis auf weiteres nur noch hinten und ganz vorsichtig, immer lauschend und auf die Kette schauend. Es ging dann auch gleich mit dem ersten Col los, der uns nach Spanien brachte. Das Wetter war super, wohl wegen dem Regen die vorangegangenen Tage auch recht klar. Die Steigung war dann ziemlich durchgehend um die 10%, und die Höhendifferenz über 1000 Höhenmeter. Zum Glück war dann der Hügel zwischen Port de Larrau und Col de la Pierre St-Martin nicht so schlimm. Über Autoverkehr konnte man sich die ganze Zeit auch nicht beklagen, der war nämlich äusserst spärlich. Der Strassenzustand war fast durchgehend prima, nur das letzte Stück zwischen Col de Labays und Lées-Athas war etwas holperig. Im Gegensatz zu den Alpen gab es zu Abwechslung nebst Kühen auch noch Pferde auf und neben der Strasse.
In Accous beendeten wir dann unser Tagewerk. Mit etwas herumfragen fanden wir die Gîte d'étape (et de séjour) «Maison Despourrins». Zimmer mit Bad und Halbpension. Es waren auch noch ein paar Wandersleut' dort. Das Essen kam in ziemlich grossen Schüsseln auf den Tisch, was uns entgegen kam. Nach einer Suppe gab es Pâte (naja, französisches Niveau) und Fleischli, dann Käse und (super, auch in grossen Schüsseln) Griessbrei mit Heidelbeeren.
Blick in Richtung Port de Larrau
Auf dem letzten seriösen Col des Tages
Blick Richtung Etappenziel Accous
Nach dem Frühstück ging es erst einmal ein gutes Stück das Tal hinab, bis Escot und dann den ziemlich friedlichen den Col de Marie-Blanque hinauf. Die meiste Zeit verlief die Strasse im Wald. Das Plateau de Bénou auf der Abfahrt war auch sehr schön. Dann fuhren wir auf den Nebenstrassen nach Laruns, wo gemäss Pöstler der Velomech in den Ferien war, dafür aber ein Supermarkt offen war. Dort konnten wir endlich etwas vernünftiges zu essen auftreiben. Ein Pfund Couscous-Salat für 50 Cent und Milchreis. Weiter ging es dann über den Col d'Aubisque, wo es dann etwas motorisierten Individualverkehr gab, allerdings nichts im Vergleich zu einem Pass in der Schweiz an einem schönen Wochenende. Bemerkenswert waren auch wiederum die Pferde, die fast so dämlich wie Kühe auf der Strasse standen.
In Argelès-Gazost fuhren wir endlich an einem Velomech vorbei. Allerdings mussten wir uns noch 10 Minuten gedulden, bis er aus der Mittagspause zurück kam. Ich kam über ein einfaches BBB Smartlink-Dings äusserst günstig und schnell zu einer reparierten Kette. Super. So konnten wir doch noch den Col du Tourmalet, mit 2115 müM Höhepunkt der Tour, in Angriff nehmen. Oben sah es dann schon ziemlich alpin aus. In der Annahme, dass nicht mehr all zu viel frei war, nahmen wir die erstbeste Auberge (Auberge des Pyrénées) in Ste-Marie-de-Campan, wir wir das letzte (recht kleine) Zimmer bekamen. Zu Essen gab's diesmal direkt auf dem Teller und daher nicht gar so viel. Als Kohlenhydrat-Quelle gab es diesmal Kartoffeln, wobei ich mit einem kleinen Anpassungswunsch (kein Fleischli) schon hart an die Grenzen der Flexibilität des lokalen Halbpension-Konzeptes stiess.
Im Aufstieg zum Col d'Aubisque
Pferde statt die sonst üblichen Kühe: auf dem Col d'Aubisque
Super Strasse zwischen Col d'Aubisque und Col du Soulor
Blick vom Tourmalet hinab ins Tal
Frühstück sollte es erst gegen 8:30 geben, ein bisschen spät für uns. Aber immerhin bekamen wir den Hinweis, dass es im Dorf eine Bäckerei gibt und das Frühstück wurde uns netterweise vom Preis abgezogen. Wir waren dann genau zur Öffnung der Bäckerei/Pizzeria um 8h dort und organisierten uns ein Glas Confiture des Mûress, zwei Baguettes und was warmes zu trinken. Super Sache für 70 Cent mehr als wir in der Auberge bezahlt hätten.
So gestärkt nahmen wir gleich den Col d'Aspin in Angriff. In Arreau (nettes Städtchen) fanden wir einen kleinen Supermarkt, wo wir wieder Vorräte bunkern konnten. Gut dass in Frankreich so etwas am Sonntag vormittag offen hat, in der Schweiz wären wir wohl verhungert. Dann ging es gleich wieder hinauf auf den Col de Peyresourde. Dort gab es (gross angeschrieben) Crêpes für 50 Cent, was wir uns nicht entgehen liessen. Wobei der Wirt über unsere Bestellung von zwei Crêpes, was auch gleich die Mindestbestellmenge war, nicht übermässig erfreut war. Danach ging es wieder ein Stück das Tal hinab, in St Béat machten wir dann mal Pause um anschliessend über den Col de Menté zu fahren. Im Aufstieg zum Col de Portet d'Aspet kamen wir noch am Denkmal für Fabio Casartelli vorbei, der dort bei der Tour 1995 tödlich verunglückte. Zum Dessert gönnten wir uns noch den Col de la Core. Das einzig offene Hotel in Seix war ausgebucht, so fuhren wir noch ein Stück das Tal hinauf um dann in Pont de la Taule in der «Auberge des 2 Rivières» unterzukommen. Diesmal hatten wir ein ziemlich geräumiges Zimmer (wohl für 4 Personen), auch das Essen war gut. Meine Käseplatte zur Hauptspeise war wohl etwas komisch.
Im Aufstieg zum Col d'Aspin: Blick zurück Richtung Tourmalet.
Jetzt kann ich wenigstens jedem Franzosen die Aussprache meines Names erklären.
Traditioneller französischer Strassenbelag für maximalen Rollwiderstand (besonders übel in Kombination mit Gegenwind), inzwischen schon fast (wirklich nur fast) eine Rarität.
Nach dem Frühstück ging es gleich in die Steigung zum Col de la Trape (oder Col de Latrape). Es war etwas bewölkt, aber nicht weiter tragisch. Danach ging es gleich weiter zum Col d'Agnes, der schon fast in den Wolken lag, die sich aber gerade in Auflösung befanden. Dann ging es am Etang de Lers vorbei auf den Port de Lers, ein weiterer schöner Pass. Im Tal unten wunderten wir uns etwas, dass so ziemlich alle Läden geschlossen waren. Also fuhren wir weiter nach Tarascon-sur-Ariège wo wir zwar nicht einen grossen Supermarkt, dafür eine Bäckerei fanden, wo wir uns mit Pizza und Dessert eindeckten. Nach dem Picknick fanden wir auch noch einen Super-U, der hatte aber gerade Siesta (ebenso wie der Bahnhof, wo wir mal wegen den Details der Rückreise schauen wollten).
Dann fuhren wir ab Bompas die «Route des Corniches», eine superschöne Strasse, praktisch autofrei. Beim Col de Marmare kamen wir auf die D613, fuhren noch über den Col de Chioula und dann vor Ax-les-Thermes Richtung Port de Pailhères. Dort durften wir nochmals auf 2001 Meter hinauf fahren. Die andere Seite, mit ziemlich vielen engen Serpentinen wäre wohl lustiger zum hinauf fahren gewesen. Wir radelten dann Richtung Quérigut und folgten in Artigues einem Schild zu einer Gite («Les Myrtilles»). Das war wohl die einzige Unterkunft weit und breit, ausser der Gite gab es auch in Artigues nichts (kein Bäcker, kein Laden). Aber eine gute Sache, wir bekamen (nachdem wir auf der Karte gezeigt hatten, woher wir kamen) ein customized Abendessen mit ausreichend Spaghetti und konnten auch noch unsere Sachen waschen lassen.
Etang de Lers zwischen Col d'Agnes und Port de Lers
Blick Richtung Port de Lers
Kühe auf dem Port de Pailhères
In Artigues
Für das Frühstück konnten wir uns noch an allen anderen Tischen bedienen weil wir die letzten waren. So gestärkt folgten wir den Wegweisern nach Le Puch was uns merkwürdigerweise nach Quérigut führte. Dann ging es hinab ins Tal, wo wir im ziemlich verlassenen Escouloubre-les-Bains vorbei kamen. Dann ging es auf die Strasse Richtung Col de Jau, die uns noch zwei kleine Pässe davor und einen ziemlich langen frisch gesplittetes (nicht zu knapp) Abschnitt bescherte. Die Region war definitiv ziemlich einsam. Auf der Abfahrt vom Col de Jau nach Prades wechselte die Natur merklich auf mediterran. In Prades gab es einen Markt und richtig viele Leute. Dann fuhren wir noch ein Stück das Tal hinab, vorbei (fast) an Feigen-, Äpfel- und Nektarinen-Bäumen. Dann ging es vor Vinça Richtung Süden, ein ziemlich nettes Tal hinauf nach Valmanya wo es auch wieder frischen Splitt gab, diesmal zum Glück nicht in einer Abfahrt. So gelangten wir auf den Col de Palomère. Die Strasse von dort weiter Richtung Süden (die eine interessante Variante über Spanien ergeben hätte) sah definitiv nicht Rennvelo-Kompatibel aus. Also fuhren wir weiter über La Bastide auf die D618 Richtung Amélie-les-Bains-Palalda, wobei wir vorher Richtung Le Pont de Reynès abbogen und dann noch über den Col de la Brousse nach Las Illas fuhren. Zwischendrin gab es immer wieder einen netten Blick auf die Ebene um Perpignan bis auf Meer. In Las Illas gab es eine bescheide Auswahl an Unterkünften, wovon wir das Hostal dels Trabucayres wählten. Ausser uns gab es noch ein paar andere Gäste, wobei wir das Durchschnittsalter etwa halbierten.
Auf der Abfahrt vom Col de Jau Richtung Prades
Das Tal Richtung Valmanya hinauf
Oberhalb von Le Pont de Rynès
Beim Col de la Brousse: Blick Richtung Meer
Zusammengefasst schlängelten wir uns auf ziemlich schönen und einsamen Nebenstrassen hinter Perpignan durch und fuhren bis irgendwo im Tal zwischen Carcassonne und Narbonne.
Zuerst ging es mal wieder ins Tal hinab, dann immer mal wieder hinauf und hinab. Bei Ill-sur-Têt kamen wir noch an ein paar hübschen Gesteinsformationen (Orgues) vorbei. Irgendwo zwischen Trévillach und Trilla gab es ziemlich gute Feigen am Strassenrand, etwas, das sich im Verlauf des Tages noch ein paar mal Wiederholte. In St. Paul-de-Fenouillet hatte zwar der Carrefour Siesta, aber im Dorf fanden wir einen Laden mit tip top reifen Pfirsichen & Co. Dann fuhren wir (wie schon anno 2004) durch die Gorges de Galamus (nett) und dann über diverse kleine Cols (alles unter 1000 müM) bis etwa Capendu, wo wir dann mit der Suche nach einer Unterkunft anfingen. Nachdem wir schon in Aigues-Vives nichts gefunden hatten, fragten wir auch in Laure-Minervois etwas herum und bekamen dann mal die nette Auskunft, dass ein paar meter weiter unten ja gleich etwas wäre. In der Tat gab es da ein ziemlich hohes, blau gestrichenes Tor und ein ganz dezentes Schildchen von wegen Unterkunft. Mutig klingelten wir mal und es machte sogar jemand auf. Sinngemäss sagte der der Mann etwa «Ich weiss, was ihr jetzt gleich fragen werdet». Naja, es gab das eine kleine Kollision, die Gastgeber hatten schon zwei Freunde zum Abendessen eingeladen und das Zimmer war noch nicht bereit. Aber kein Problem, wir machten es uns mal im Innenhof bequem, futterten wie inzwischen üblich, ein Pack Biscuits (irgendwie muss man ja zu Kohlenhydraten kommen). Wir waren bei Engländern untergekommen, die vor etwa 8 Jahren das Anwesen gekauft hatten. Das Zimmer war mega gross und komfortabel. Das Abendessen war auch ganz nett, die weiteren Gäste waren auch als UK.
«Orgues» bei Ill-sur-Têt
Feigenbaum mitten in der Landschaft
Gorges de Galamus
Irgendwo vor Capendu
Nach dem Frühstück (es gab sogar ein nicht-Weissbrot zur Auswahl!) fuhren wir Richtung Haute-Languedoc, nebenbei konnten wir sozusagen der Weinernte zuschauen, die gerade im Gang war. Auf ein paar Umwegen gelangten wir nach St. Pons-de-Thomières wo wir über den vielen Durchgangsverkehr staunten und uns in einer Bäckerei mit einem ordentlichen Lunch-Paket (Pizza plus Dessert) eindeckten. Was wir vom Wetterbericht mitbekommen hatten, sollte es eigentlich noch schön sein und erst am Tag darauf regnen, allerdings wurde es immer etwas grauer. Ungeachtet dessen fuhren wir Richtung Col du Cabarétou (941 m), wo es oben dann schon fast regnete. Weiterhin im Regen fuhren wir dann über die Hochebene über den höchsten Punkt des Tages, den Col de la Bane (1003 m). Interessanterweise schienen die Strassen den Regen geradezu aufzusagen, jedenfalls wurden wir fast nur von oben und nicht wirklich von unten nass. Danach ging es Richtung Küste hinab und es wurde auch allmählich etwas trockener und wärmer. Nach doch noch einer ordentlichen Strecke endete da mein Teil der Velotour während sich Dani auf den Weg zu seiner Familie machte, die auf einem Campingplatz an der Küste vor Béziers einquartiert war. Weil der SNCF-Computer etwas doof ist, bekam ich erst ein Billet über Perpignan und Genf verkauft. Nach Consulting per SMS von Tina kam dann noch eine günstigere Verbindung (mit Couchette) heraus. Zuerst ging es im TER nach Arles, wo ich knapp zwei Stunden Aufenthalt hatte. Dann weiter im Liegewagen bis Mulhouse. Das Velo musste ich diesmal einfach im Gang stehen lassen, was zum Glück niemanden störte.
Béziers